Gedanken zum Osterfestkreis vom 9. bis 13. April 2020
Gründonnerstag, 9. April – Maria beweint ihren Sohn
Für eine Mutter ist es wohl das schlimmste und schwierigste, wenn sie von einem Kind Abschied nehmen muss, und wenn es der Tod ist, dann an seinem Grab stehen muss.
Für Maria kam es noch heftiger, sie musste es geschehen lassen, dass ihr Sohn Jesus seinen letzten Weg hinauf nach Golgatha geht und dort als Verbrecher gekreuzigt wird. Er trägt sein Kreuz, den Querbalken des Kreuzes und der Längsbalken ist schon zur Hinrichtung aufgestellt. Das Kreuz wirft seine Schatten voraus. Welch ein Schicksal, welch eine Last hat auch sie, die Mutter Gottes, zu tragen!
Angesichts des Todes eines uns nahestehenden Menschen tragen wir Angehörigen und Begleiterinnen schwer. Wir leiden mit, wir erleiden den Tod mit, denn wenn ein lieber Mensch stirbt, stirbt gleichzeitig ein Stück eigene Geschichte mit. Wir, und unser Leben werden ärmer, denn der Tod reißt den gemeinsamen Lebensfaden entzwei, und wir müssen getrennt, verlassen und verloren alleine weitergehen. Nur die Hoffnung auf ein Wiedersehen, wenn auch wir von dieser Welt gegangen sind, kann etwas Trost im Abschied sein. Und diesen Abschied für immer, diese Trennung durchlebt und durchleidet Maria auf dem Weg mit Jesus.
Was mag ihr durch den Kopf und durch die Hände gehen? Vieles: die Geburt, der 12-jährige Jesus im Tempel, seine Taufe, wie er geredet hat zu den Menschen in Galiläa und im ganzen Land, Kranke geheilt hat, Tode auferweckt und Frauen einen Platz in seiner Gemeinschaft gegeben hat. Und nun dies! Der Weg hinauf nach Golgatha, der Weg in den Tod.
Und Maria, seine Mutter, begleitet ihn. Eine letzte Berührung, ein letztes Mal treffen sich ihre Hände mit seinen Händen. Sie berührt ihn und er berührt sie. Und sie ist gerührt und berührt von dem, was da gerade passiert.
Es hätte nicht so weit kommen dürfen. Doch sie konnte es nicht verhindern. Sein Weg führt in den Tod, das war absehbar, das wollten sie und alle seine Jüngerinnen und Jünger nicht sehen und verstehen. Denn wer will schon den Tod ins Auge sehen, nach diesem Jubel bei seinem Einzug in Jerusalem! Und jetzt wenig Tage später dies!
Maria muss sich am Kreuz festhalten, ihre beiden Hände sind zu sehen, und Jesus legt vielleicht tröstend seien Hand auf die seiner Mutter. So als wolle er ganz ohne Worte sagen: Es ist gut so, lass es geschehen, ich will dich trösten und immer bei dir sein. Das verwandelte und ins Licht gesetzte Gesicht sagt vielleicht mehr aus als Wort. Oft wird Maria in der Darstellung einer Pieta in Holz und Stein gemeiselt. Maria, die Mutter Gottes die den Leichnam Jesu in den Händen hält und ihn beweint. Fast so, wie ein Neugeborenes hält sie den Sohn und trauert. Gründonnerstag, ein Tag des Greinens, des Beweinens, denn der Tod steht vor der Tür, das Leid einer Mutter will und muss getragen werden, das will uns dieser Tag wieder neu vor Augen führen.
Susanne Marquardt
Karfreitag, 10.April – Die Menschen unter Jesu Kreuz
Der Hammer wird schon geschwungen, Es ist Karfreitag und Jesus wird ans Kreuz genagelt. Wer diesen Hammer schwingt, die Bibel verrät es uns nicht, die Tradition hat es nicht überliefert. Er hat keinen Namen, er hat kein Gesicht. Aber es muss ein starker Arm gewesen sein, ein großer Hammer, und dennoch unsichtbar, namenlos.
Sind es nicht wir selbst? Bin nicht ich es, die mit all ihrer Schuld und Sünde Jesus mit ans Kreuz nagelt?
Wer war da alles mit unter dem Kreuz, als Jesus auf Golgatha, der Schädelstätte gekreuzigt wurde? Wer alles schaute dabei zu?
Sicher waren es die römischen Soldaten, die unter dem Kreuz warteten und die drei gekreuzigten Männer bewachten, bis diese verstarben. Und da es lange dauerte und ihnen sicher langweilig war, würfelten sie und verspielten den Mantel Jesu, der aus einem Stück gewebt war. Ihr Hauptmann erkannte in Jesus den Christus, den Sohn Gottes. Zuvor hatten sie auch noch das Schild INRI angebracht: Jesus von Nazareth, König der Juden. So seine Bezeichnung, so die Anklage, so der Spott und Hohn.
Ob Pontius Pilatus unter dem Kreuz war, wie das Glaubensbekenntnis ihn als den einzigen Menschen neben Maria erwähnt: – gelitten unter Pontius Pilatus – ist nicht sicher. Denn er hat sich verwundert erkundigt, warum Jesus schon gestorben ist. (Markus 15,44)
Dann waren da noch die Frauen, sicher auch Maria, seine Mutter. Das Johannesevangelium berichtet, dass der Lieblingsjünger Johannes unter dem Kreuz war und nun für Maria sorgen soll. Und bekannt geworden ist das Bild des Isenheimer Altars, das im Museum „Unter Linden“ in Colmar nach der Restaurierung wieder zu besichtigen sein wird . Hier zeigt Johannes mit seinem langen Finger auf den Gekreuzigten, auf den leidenden und sterbenden Jesus, auf den Christus. Und auf der anderen Seite steht die traurige schmerzverzerrte Maria, die den Sohn beweint. Auch viel Volk muss anwesend gewesen sein, denn es war Passahfest und viele Menschen waren in der Stadt.
Karfreitag, der höchste evangelische Feiertag, so habe ich es als Kind in einem kleinen unterfränkischen Dorf erlebt: Beichte und Abendmahlsgottesdienst am Morgen, Todesstundenandacht am Mit-tag. Die Glocken schweigen und der Altar ist abgedeckt. Traurig und ruhig der ganze Tag auch für uns Kinder und es gab Karpfen aus dem eigenen See gefischt. Meine Mutter verkaufte in ihrem Tante Emma Laden angelieferten Seelachs. Keine Abenteuerfilme im Fernsehen, höchstens ein Jesusfilm, der sich tief in meine Erinnerungen eingegraben hat: Wie Jesus ans Kreuz genagelt wird und verstirbt.
Karfreitag, ein schwarzer Tag. Karfreitag wie ein schwarzes Loch, das Aus und Vorbei, kein blauer Himmel. Doch aus und vorbei, ist noch nicht vorbei! Leben geht weiter über das schwarze Loch hinweg.
An Karfreitag wollen wir das Leid und den Tod aushalten und bedenken. Denn er ist für uns gestorben, damit auch wir das Leben haben.
Wir danken dir, Herr Jesus Christ, dass du für uns gestorben bist und hast und durch dein teu-res Blut gemacht vor Gott gerecht und gut. EG 79,1 Friedrich Spee 1628
Susanne Marquardt
Ostern, 12. /13. April – Christus spricht: Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle. Offb.1,18
„Es geht um Leben oder Tod!“ – dieser Spruch zeigt höchs-te Dringlichkeit an. Im Rettungswagen wird auf diesen Spruch hin die Sirene ausgelöst; oder als uns das vor Augen geführt wurde im Blick auf COVID-19, wurden in unserem Land ganz friedlich enorme Beschränkungen ak-zeptiert.
Um Leben oder Tod geht’s auch am Osterfest – mit dem entscheidenden Unterschied: Der Ausgang ist schon klar!
Zunächst sieht es ja nach einem klaren Sieg für den Tod aus. Kampflos, ehrlos, gottverlassen stirbt Jesus am Kreuz. Der Tod hat seinen Rachen weit aufgesperrt und den Gottessohn verschlungen und alle Hoffnung, alles Licht mit ihm. Aber da hat er einen Brocken gebissen, den er nicht schlu-cken kann: das Totenreich muss Jesus wieder heraus geben – und ist damit ruiniert für immer. Das Leben hat gesiegt. Oder vielmehr: Der lebendige Gott hat gesiegt.
Für immer! Das gilt auch für uns.
Es geht um Leben oder Tod, auch für uns, in diesem Osterfest! Denn weil Jesus auferstanden ist, kann er uns auch heute ein Freund und Begleiter sein. Und was für ein Begleiter!
Als wir Pfarrer und Pfarrerinnen mal einen Besuch im hiesigen Gefängnis gemacht ha-ben, da fielen hinter uns grade so krachend die Türen ins Schloss, wie hinter den Gefangenen. Das war ganz schön beklemmend. Aber wir mussten uns keine Sorgen machen, denn wir hatten den Beamten mit sei-nem Schlüsselbund bei uns – die Freiheit war uns gewiss.
So ist’s mit Krankheit, Sterben und Tod für uns Christen – das ist beängstigend, ohne Zweifel. Aber wir haben den zum Helfer und Freund, der die Schlüssel hat! Der Tod kann uns nicht halten, denn er hat sich an Jesus die Zähne ausgebissen. Das Leben ist uns gewiss.
Darauf ein fröhliches „Halleluja!!“
Elisabeth Küfeldt